Destruktiv oder konstruktiv - Warum es leicht ist sich zu verlieben und schwer ist zusammenzubleiben
Das Verlieben ist ja eher ein Impuls und ein Automatismus, den wir wenig unter Kontrolle haben. Es passiert uns meistens „einfach so“ und oft ist es ziemlich schön, wenn die Schmetterlinge so im Bauch flattern und wir wünschen uns, diese Zeit würde nie vergehen.
Hier ist übrigens meine subjektive und zufällige Playlist zum viel besungenen Thema „Falling in Love“ – falls Du Dich erinnern willst und noch mal in den vielen Facetten dieses Gefühls schwelgen willst.
Eine partnerschaftliche Beziehung über mehrere Jahre und durch verschiedene Krisen des Lebens hindurch zu führen – das erfordert deutlich mehr als einem Impuls nachzugeben.
Es erfordert „Beziehungsarbeit“ oder „Beziehungspflege“ – aber was ist das genau?
Ein Aspekt der Beziehungspflege ist es, das eine Partnerschaft eine Wachstumsveranstaltung ist, wenn sie gelingen soll. Sprich: alle Beteiligten verändern sich darin, lernen dazu, verabschieden sich von Verhalten aus der Kindheit und üben sich in neuem Verhalten, z.B. aktiv selbst die eigenen Grenzen zu schützen ohne den Anderen zu verletzen oder für die eigenen Bedürfnisse Selbst-Verantwortung zu übernehmen.
Dieses neue Verhalten lernen wir aber nicht aus einem schönen Impuls heraus, sondern meistens erst durch eine Krise in der Partnerschaft. Plötzlich tun sich Gräben auf und wir merken, hier kommen wir nicht weiter. Wir verhaken uns, könnnen die Auseinandersetzungen nicht mehr auflösen und verletzen uns am Ende aus Frustration gegenseitig.
Der Zeitpunkt, wo Liebe allein nicht mehr reicht, um zusammen glücklich zu sein, das ist der Beginn einer echten Partnerschaft, in der wir etwas tun müssen, damit Beziehung gelingt.
Woran liegt das? Will uns jemand ärgern, ist das Leben einfach so? Es gibt darauf eine einfache Antwort: Es liegt daran, dass wir alle mehr oder weniger destruktive Verhaltens- und Kommunikationsmuster aus der Kindheit mitbringen und die müssen wir im besten Fall gemeinsam auflösen und bzw. uns „erlösen“ lassen.
Warum lernen wir destruktive Beziehungsmuster? Haben uns unsere Eltern nicht genügend geliebt? Nein, es liegt daran, dass wir in jeder Familie – auch der besten – gewisse Überlebensstrategien als Kind brauchen, damit wir die Liebe unserer Eltern nicht verlieren. Alle Eltern sind auch nur Menschen und geben ihr Bestes, aber nicht jede Generation hat die gleichen Chancen gesunde und konstruktive Beziehungsstrategien zu lernen.
Zu diesen destruktiven Beziehungsmustern, die wir ungewollt geerbt haben und schlecht wieder los werden, habe ich natürlich unten einige Serientipps. Düstere Serien, die die dunkle Seite von Beziehungen beleuchten. Serien können dabei helfen, diese Beziehungsmuster zu verstehen und zeigen oft auch Wege auf, wie destruktiv in konstruktiv verwandelt werden kann.
Wir können es nicht vermeiden, das destruktive Beziehungsmuster nach der Verliebtheit an die Oberfläche kommen und das ist auch gut so – denn nur, wenn die ungesunde Erbschaft zu Tage kommt gibt es überhaupt eine Chance, dass diese transformiert werden kann. Es ist mit den Paarbeziehungen wie bei der Sanierung eines alten Hauses, zusammen entscheidet man, welche Bauteile drin bleiben und Bestand haben und was nicht tragfähig ist und erneuert werden muss. Da gibt es keine pauschalen Lösungen, sondern zwei individuelle Menschen sind da eben wie zwei verschiedene Häuser, es braucht Einzelfallentscheidungen.
Nun wird es leider mit Sicherheit anstrengend und nicht mehr leicht und unbeschwert wie in der Verliebtheitsphase. Wir müssen Zeit und Nerven investieren, damit wir die Krisen, die jetzt einziehen müssen, aktiv so gestalten lernen können, dass beide Menschen klüger daraus hervorgehen. Es wird Versuch und Irrtum geben, wir verrennen uns und finden im besten Fall auf neuem Level wieder zusammen. Manchmal gelingen die notwendigen Schritte auch erst mit der oder dem nächsten Partner*in.
Und oft brauchen wir dabei Hilfe, weil wir selbst unsere blinden Flecken nicht finden. Da kommt Paarberatung ins Spiel, das Setting mit einer neutralen Person über die Paarbeziehung zu sprechen und wie es jedem geht – das ist der erste Schritt zu neuen Beziehungsmustern und Alltags-Lösungen.
Destruktiv oder konstruktiv - Liebe allein reicht nicht für Beziehungsglück
Einstellung und Verhalten bestimmt darüber, wie sich Deine Beziehungen gestalten
Unsere Haltung bestimmt unser Verhalten. Und das Verhalten beeinflusst dass, was am Ende bei unseren Beziehungen heraus kommt. Es ist nicht Schicksal oder Liebe, was darüber entscheidet, ob Du glücklich wirst und ob Deine Partnerschaft gelingt. Es ist auch nicht der richtige oder falsche Mensch – nein, entscheindend allein ist die Tatsache, wie gut es beiden gelingt, konstruktiv zu reden und zu handeln!
Das ist das ganze Geheimnis – an sich braucht es also nicht viel. Nur ist unser Alltagswissen ziemlich rudimentär, wenn es darum geht, wie das konkret im Alltag bedeutet.
Es bedeutet Verzicht auf Erwartungen, Anklagen, Rechtfertigungen, Vorwürfe, Beleidigungen, moralische Appelle oder Druck/Erpressung/Manipulation auszuüben.
Damit ich das alles weglassen kann, braucht es Alternativen. Wenn Du es ganz genau wissen willst, dann empfehle ich Dir meinen Onlinekurs „Beziehungsglück kannst Du lernen“, indem ich viele destruktive Muster genauer erkläre und natürlich auch, was die konstruktive Alternative ist.
Hier ein Beispiel:
Sicher kennst Du das, wenn ein Streit harte und verletzende Worte mit sich bringt. Am Ende ist die Distanz gross und Wunden aufgerissen, vielleicht zum wiederholten Male.
Was wäre, wenn es eine Art zu sprechen gäbe, die Verbindung herstellt, obwohl zwei Menschen sich gerade auseinandersetzen?
Wir brauchen eine Form der Sprache, die uns verbindet, selbst wenn wir unterschiedliche Wahrnehmungen oder Meinungen haben. Und die gibt es, sie ist erlernbar!
Und Sprache spiegelt unsere inneren Einstellung wider. Welche Haltung, welches Mindset ist also hilfreich, damit wir verbindende Sprache sprechen können ohne uns selbst aufzugeben oder abhängig zu machen?
Eine sehr nützliche innere Einstellung ist diese: Es gibt gar nicht die eine Wahrheit, richtig oder falsch, sondern ziemlich viele Perspektiven auf ein Thema. Oft auch konträre Wahrnehmungen, einer fand das Wochenende lustig und die andere fand das Wochenende anstrengend. Beides ist subjektiv für die jeweilige Person richtig – eine gemeinsame Wahrheit findet sich da gerade nicht. Wir brauchen keine Einigkeit der Perspektiven, sondern zuerst die Akzeptanz, dass es für beide Seiten unterschiedlich ist. Klingt paradox – führt aber zu kreativen Lösungen.
Mit dieser Einstellung verändert sich auch unsere Sprache. Wir sagen dann nicht mehr Sätze wie „das ist doch gar nicht wahr“ oder das „das hast Du Dir doch eingebildet“ sondern eher solche: „Achso, das Wochenende war stressig für Dich, das hatte ich gar nicht mitbekommen. Was genau hat Dich gestresst? … Für mich war es interessanterweise anders, ich habe andere Dinge wahrgenommen und manches anders beurteilt. Es ist immer wieder erstaunlich, wie unterschiedlich Wahrnehmung sein kann.“
Eine ziemlich hinderliche Einstellung für Beziehungsglück ist die, dass es nicht notwendig sei, dass ich offenlege, was in mir vorgeht und warum ich welche Entscheidung treffe. „Man müsse ja nicht alles bereden oder gar totreden … Das Gegenüber wisse ja, wie es mir geht … Oder sollte besser nicht alles Peinliche über mich wissen, damit ich besser dastehe … Das versteht sich ja von selbst, das muss ich doch nicht aussprechen.“ usw. Mit dieser Einstellung kann mensch gut verdeckte Ermittlungen betreiben, aber weniger gut eine persönliche Beziehung führen in der Nähe entstehen soll.
Die unsichtbaren Fesseln der Kindheit - was hält uns da bloss immer zurück?
Was hindert uns konstruktiv zu handeln? Warum tun wir es nicht einfach, wo wir doch wissen, dass uns das glücklich machen könnte?
Es hält uns etwas hartnäckig zurück und das sind die Schutzstrategien, die uns als Kind geholfen haben, uns den Wünschen und Bedürfnissen unserer Eltern und der jeweiligen Gesellschaft anzupassen. Denn kein Kind kann es wagen, sich voll und ganz gegen die Eltern, die ja sein Überleben sichern, zu stellen. In den offenen Widerstand können wir erst als unabhängige Erwachsene gehen.
Aber genau diese Schutzstrategien waren nur in unser Kindheit sinnvoll und sind als Erwachsener destruktiv!
Eine wunderschöne Liedzeile aus dem Titelsong 诀爱 der chinesischen Fantasyserie „Love between Fairy and Devil“ fasst das mal eben kurz und treffend so zusammen:
拔 情 诀爱 的 最后 指 尖 缠绕 的 温柔 化作 一把 锋利 剑 刺 向了 我
„Die letzte, zärtliche Berührung der Liebe, die noch auf meinen Fingerspitzen verweilte,
verwandelte sich in ein scharfes Schwert und durchbohrte mich.“
Dazu müssen wir nicht mal unbedingt eine schreckliche, traumatische Kindheit gehabt haben. Auch eine ganz normale Kindheit hinterlässt die ein oder anderen unbewussten Überlebensstrategien.
Das, was uns früher gerettet hat, verhindert gute Beziehungen, wenn wir erwachsen sind.
Und es ist psychologisch wirklich schwierig, diese so früh antrainierten Schutzsysteme aufzugeben und wieder verletztlich zu werden. Und dennoch ist genau das die Wachstumsaufgabe, die beide gleichermaßen in einer Partnerschaft zu bewältigen haben.
„Wie ein Vogel im Käfig mit offener Tür“ wagen wir es nicht unsere früh erworbenen Sicherheitsstrategien aufzugeben und „einfach mal so“ etwas Neues auszuprobieren. Der folgende Song (auch noch ein wunderschönes mehrsprachiges Duett) beschreibt diese Tatsache für mich sehr treffend:
Dass es einfach nicht zu vermeiden ist, dass destruktive Beziehungsmuster auch das tollste Liebespaar einholen zeigt die koreanische Serie “ Something in the Rain“ besonders gut.
Im ersten Teil fallen wir mit den Hauptdarstellern, die relativ normal leben, in die Verliebtheit und das macht wirklich Freude, aber im zweiten Teil der Serie werden beide von den familiären Beziehungsmustern unbarmherzig eingeholt. In der koreanischen Gesellschaft ist es besonders schwer, gegen die Wünsche und Vorstellungen der Eltern zu handeln, bei uns in Deutschland sind es eher die verinnerlichten Werte der Eltern, gegen die wir nicht verstoßen wollen.
Diese Serie ist nicht so gut darin, wie das gelöst werden kann, aber sie zeigt in allerbester Weise, dass dieser Prozess so kommen muss: Nach der Verliebtheit folgt die Krise – und die Frage ist, ob gemeinsames Wachstum dann gelingt!
Dein ganzes Beziehungsglück hängt an Deiner Fähigkeit "konstruktiv" handeln zu können
Es gibt übrigens keine einseitigen Partnerschaften – also einer ist okay und kann schon alles und der andere müsste es noch lernen. Bei Trennungen ergreifen wir privat gerne Partei für die eine oder andere Seite, wir sagen die Schuld liegt „nur“ bei einem der Partner – aber alle Paartherapeut*innen wissen das aus Erfahrung: die Verantwortung für das Scheitern tragen immer beide. Eine Partnerschaft ist immer ein Geben und Nehmen und es ist nicht Zufall, mit wem wir eine Partnerschaft eingehen. Mit genau der Person, die wir uns da unbewusst ausgesucht haben, können wir eine Menge lernen, wenn wir uns auf Lernprozesse einlassen.
Konstruktiv sprechen und handeln ist auch deshalb nicht unsere erste Wahl, weil wir uns zeigen müssen mit dem, wer wir sind und was wir fühlen und denken.
Und das macht uns verletztlich. Damit haben die meisten Menschen leider schlechte Erfahrungen in der Kindheit gemacht, weil sie viel zu wenig Schutz erfahren haben.
Ohne Verletztlichkeit und die Fähigkeit uns selbst zu schützen haben wir keine Chance auf Beziehungsglück im Erwachsenenleben. Oft braucht es ein therapeutisches Setting, damit wir alte Sicherheitsmechanismen loslassen können und neue Strategien für ein konstruktives Miteinander erlernen können.
Wenn allerdings einer von beiden nichts verändern will oder kann, dann ist es besser sich zu trennen. Denn Wachsen in einer Partnerschaft kann langfristig nur gemeinsam gelingen.
Tipps für einen konstruktiven Dialog
Der nächste Urlaub oder das nächste Familienfest steht an? Da hilft es, wenn ihr vorher in Ruhe in einen Dialog geht anstatt später frustriert zu sein, wenn alles ganz anders kommt als erwartet.
Ein Dialog entsteht, wenn jede / jeder über sich selbst spricht, möglichst viel mit den verpönten Worten: „Ich will / Ich will nicht“.
Das klingt zwar unhöflich in den Ohren alter deutscher Gehorsamskultur (in anderen Kulturen ist das überhaupt nicht unhöflich), aber Gehorsam bringt uns in Beziehungen auf Augenhöhe nicht weiter, stattdessen brauchen wir Klarheit und Authentizität der Aussagen.
- Für Dialoganfänger ist es gut, sich einen Zahnputz-Timer von 3 Minuten auf den Tisch zu stellen, in dieser Zeit rede ich über mich (was ich fühle und was ich will oder nicht will, auf keinen Fall darüber, was Du getan hast oder tun solltest!) und es darf nicht unterbrochen werden.
- Es ist hilfreich, wenn die/der Zuhöhrer*in kurz zusammengefasst, was gesagt wurde: „Du meinst also für Dich ist es so und so…“ auch wenn das nicht meiner eigenen Auffassung entspricht. Nur so gebe ich Anerkennung, dass ich gehört habe und ernst nehme, was mein Gegenüber sagt! Und das ist sehr wichtig, damit Kommunikation gelingen kann.
- Wenn Du das willst und ich das will – welche kreativen Lösungen fallen uns ein, wo wir beides gewährleisten können? Von welcher Idee müssen wir uns dann verabschieden? Möglicherweise von Ideen wie „dass wir immer alles zusammen tun“ oder …
Gute Dialogfragen sind:
- Was tut mir gut, wenn ich reise / ein Fest gebe / Gast bin bei ..
- Wie kann ich für mein Bedürfnis nach Rückzug, Mitgestaltung, Pause sorgen?
- Ich will es am liebsten so machen, wenn ich entscheiden könnte …
- Auf meine persönlichen Grenzen will ich folgendermaßen aufpassen …
- Zu diesem Punkt … habe ich noch keine Idee, was ich will oder tun kann.
- Welche Unterstützung wünsche ich mir von Dir? Was kannst und willst Du aus Deiner Sicht tun? (Wünschen bedeutet nicht, dass Dein Gegenüber Dir das geben „muss“)
- Was könnte aus meiner Sicht im schlimmsten Fall passieren?
Vorher im Dialog darüber zu sein, was ich brauche und wie ich eine Aktivität / ein Event gestalten will, hilft sehr, dass es nicht einfach so kommt, wie es kommt.
Hier im Lied ist das sehr lustig, aber in der Realität macht uns die destruktive Atmosphäre von Familienzusammenkünften frustriert oder krank.
Scheitern trotz Liebe aus ganzem Herzen - Serientipp "Moon Lovers"
Obwohl diese keine Gelingensgeschichte ist, ist diese fesselnde Serie doch eines meiner absoluten Favoriten an K-Dramen. Es ist eine Serie, die auf Beziehungsmuster fokussiert und alles andere ausblendet – also sehr nach meinem Geschmack als Beziehungscoach. Das historische Setting macht es meiner Meinung nach einfacher, die universellen Beziehungsmuster zu verstehen: auch ein König hat kein Beziehungsglück, wenn er seine Liebe nicht konstruktiv ausdrücken kann!
Wir schauen hier zu, wie Menschen und Beziehungen, die an sich auf Kooperation und Liebe ausgelegt sind, überwiegend scheitern. Und dies nicht, weil die Charaktere böse sind oder sich Schaden zufügen wollen, sondern weil sich systematisch Macht, Angst und Druck sowie unaufgearbeitetes Trauma in Beziehungen einschleicht. Dieser Bogen von der Leichtigkeit und Fülle zwischenmenschlicher Liebe, z.B. unter den Prinzen-Brüdern, bis hin zu Vernichtung und Hass – macht die Serie so besonders.
Die Serie, die optisch, musikalisch und schnitttechnisch ein echter Genuss ist lässt uns die Charaktere mit aller Macht ins Herz schliessen und dann müssen wir den Schmerz ertragen, wie destruktive Beziehungsmuster es nicht vermögen, die ursprüngliche Liebe zu erhalten.
Dabei ist Serie durchaus voller Anmut, Schönheit und Humor, nicht alles ist düster – aber es gelingt am Ende nicht, dass die Liebe siegt – wie so oft im echten Leben. Und das liegt nicht an der falschen Zeit, sondern an den destruktiven Beziehungsmustern, die auch den schönsten und charismatischten Held einholen und fast vernichten:
Lösungen finden und Entscheidungen treffen ohne Absprache und Dialog mit der Liebsten, daran scheiterte der Held im epischen koreanischen Seriendrama „Moon Lovers“. Durch seine traumatische Kindheit war er es gewohnt, eigenständige und harte Entscheidungen zu treffen – das tat er dann auch mit besten Absichten für seine Geliebte – aber leider fehlte der echte Abgleich, ob das auch ihre Idee einer guten Lösung war. Irgendwann musste sie sich vor seiner fehlenden Fähigkeit, gemeinsame Entscheidungen zu treffen, vor ihm schützen – Liebe allein löste das Problem nicht und er verstand erst lange nach ihrem Abschied und Tod, was ihr Problem war. Auch wenn Du weder König noch Geliebte bist – das Beziehungssetting ist sehr real, dass wir uns von einem Menschen, den wir eigentlich lieben wollten, trennen müssen, weil dieser nicht in der Lage ist konstruktiv zu handeln. Hätte der charismatische Held nur Therapie und Paarberatung gehabt, denn wäre diese grosse romantische Liebe, an der an sich nichts falsch war, nicht so unglücklich verlaufen!
Und dennoch endet die Serie mit einem Funken an Hoffnung – nicht weil das Ende unrealistisch ist (wie in vielen anderen Serien), sondern weil nicht aller Schmerz umsonst war und ein Hauch von Entwicklung doch stattgefunden hat.
Schutzmechanismus Macht & Manipulation - Serientipp "Dear X"
Mitgefühl, Liebe, Ehrlichkeit und Kooperation können uns als ein verzichtbarer Luxus erscheinen, wenn wir als Kind zu früh Machtmißbrauch von Erwachsenen erlebt haben und Verletzlichkeit keine Option war um zu überleben.
Und leider gilt die traurige Regel, dass aus Opfern später selbst Täter werden, wenn es nicht gelingt, dass Trauma aufzuarbeiten, Schutzstrategien ohne Machtausübung für sich zu finden und zu lernen, wie wir uns sprachlich gleichwürdig begegnen können.
Über Macht & Manipulation gibt es ja mannigfaltig viele Serien, eine die für mich heraussticht ist „Dear X“. Schauspielerisch hochkrarätig besetzt, Schnitt und Musik als dramatische Verstärkung des Inhalts – die Serie entfaltete auf mich einen toxischen Sog, dass ich nicht aufhören konnte zuzuschauen, wie die Menschen um Liebe, Anerkennung oder alternativ um Macht ringen und sich doch immer tiefer verstricken in destruktiven Lösungswegen.
Die beiden Hauptfiguren gehen mit dem Kindheitstrauma höchst unterschiedlich um, sie sucht Macht und Kontrolle ohne jegliche Hemmung im Außen und er lebt eine starke Hemmung nach innen: er unterdrückt den Schmerz, ertrinkt ihn manchmal im Alkohol, macht sich selbst abhängig und klein.
Und oft ist nicht klar, wer retten wen? Wer meint es gut, aber die Wirkung ist toxisch? Wer handelt scheinbar kalt, schützt aber dennoch damit das Gegenüber? Die Hoffnung bleibt die ganze Serie bestehen, dass es irgendwo ein gute Lösung geben könnte oder gewisse Menschen eine Veränderung bewirken könnten.
Und doch scheinen die Rettungsversuche meistens in Selbstzerstörung zu münden. Die Serie zerlegt gekonnt jegliches pauschale Schubladendenken von Gut und Böse, richtig und falschem Handeln.
Und auch wenn das in der Serie selbst gar nicht thematisiert wird: es ist eine dringende gesellschaftliche Aufgabe jede Form von häuslicher Gewalt zu erkennen und den Familien Schutz und/oder Hilfe zukommen zu lassen. Denn die Auswirkungen von häuslicher Gewalt und erlebtem Trauma bleiben kein persönliches Problem, sondern wirken destruktiv zurück in die Gesellschaft! Unerkannt zeigt sich erlebte Gewalt dann in Mobbing an Schulen oder am Arbeitsplatz und zuletzt auch in der Atmosphäre politischer Debatten, wenn Menschen mit Gewalterfahrungen und destruktiven Kommunikationsmustern diese prägen und beherrschen, wie es in den USA und auch bei uns in Deutschland leider der Fall ist.
Machtgier stoppen und transformieren - Serientipp "The K2"
Eine Action-Serie, in der nicht die Liebesgeschichte spannend ist, sondern die Beziehung des Helden zu seiner „Schwiegermutter“, die aufgrund ihres eigenen Traumas machtgierig ist und ihn benutzen will. Die Dialoge, wie er dem Machthunger dieser Frau immer wieder mit einem echten Beziehungsangebot antwortet ist wirklich bemerkenswert. Es könnten Lehr-Dialoge für Beziehungskunst auf Augenhöhe sein. Und das Ende dieser Serie ist ebenso ungewöhnlich – eine Actionserie mit Tiefgang!
Wenn Destruktives im Leben überwiegt - Serientipp "Dear Hongrang"
Die bildgewaltige, atmosphärische Serie über Gewalt, Missbrauch und die Suche nach Identität „Dear Hongrang“ ist keine Gelingensgeschichte und kein übliches K-Drama mit schönen Hauptdarstellern und einer Geschichte, die schon irgendwie gut enden wird.
Es ist eines der wenigen düsteren, aber optisch brillianten K-Dramen, die ich dennoch hier empfehlen würde, weil die Serie auf besondere Weise gerade trotz des angedeuteten grausamen Inhalts Wärme und Menschlichkeit sichtbar macht in einer unmenschlichen Welt des Mißbrauchs und der Gewalt.
Vertrauen lernen - Serientipp "The Princess`s Gambit"
In dieser ebenfalls optisch ansprechenden und spannenden chinesischen Kostüm-Serie, die eher „leichte unterhaltsame Kost ist“, schaffen es die beiden Hauptfiguren in einem schier unendlichen Netz an Macht, Intrigen und Erpressungen einander vertrauen zu lernen. Dieses Kunststück ist wirklich sehenswert, denn wie gelingt es dieser innerlich starken Frau unter ständigen Drohungen so authentisch und verantwortlich wie gerade möglich zu handeln? Und parallel wird dazu im Nebenstrang eine toxische Liebe gezeigt, die sich immer tiefer in Destruktivität verliert.
Die in der Serie aufgezeigten Lösungswege ins Vertrauen können als Inspiration dienen, das es selbst in aussichtslosen Lagen der totalen Erpressung möglicherweise doch einen Hauch von Handlungsspielraum gibt…
